Der 30. Juni 2017 war in Deutschland sowohl für Ehe als auch für die Meinungsfreiheit ein schwarzer Tag. Was sich am regnerischen Vormittag dieses Freitags im Bundestag abspielte, war ein mit viel Emotion, Musik und Konfetti inszeniertes großes Kino, dessen Resultat wohl nur jene überraschte, die auch dem Ausgang eines Wrestlingmatches in Sorge entgegenfiebern, weil sie im blendenden Scheinwerferlicht der inszenierten Aufregung vergessen, dass die Darsteller der Kontrahenten ihre Schecks aus derselben Hand beziehen.

Was für die Öffentlichkeit wie die Abstimmung über eine einfache Frage erscheinen sollte, war in Wahrheit ein wahlkampftaktisches Manöver mit Finte, Angriff, Ausweichschritt und Konter, die in einem vermeintlichen Sieg mündeten, der tatsächlich eine Niederlage bedeutete und bei dem sich alle feierten.

Die SPD, seit Monaten im Sturzflug in der Wählergunst, versuchte mit dem seit Jahren aus verschiedenen Gründen immer wieder vertagten Thema der „Öffnung“ der Ehe für gleichgeschlechtliche Partner gegen die CDU, die sie in letzten Umfragen um fast das Doppelte überragte, zu punkten. Das  Manöver war populistisch, am Wahlkampf orientiert und im höchsten Maße auf die Medienwirkung abzielend. Angela Merkel, ebenso machtbewusst wie positionslos, nahm die Herausforderung an, trat dann jedoch, indem sie die Abstimmung zur Gewissensfrage der Abgeordneten erklärte, einen Schritt beiseite und lies den Schulz-Zug, wie schon zuvor, ein weiteres Mal ins Leere laufen. Die Opposition siegte in einer Abstimmung, bei der sie Erika Steinbach für ihre Wortmeldung fast dankbar seien müsste, da ohne diese Gegenrede der Eindruck, man habe sich gegen eine Opposition durchgesetzt, beim besten Willen nicht aufrecht zu erhalten gewesen wäre. Eine überwältigende Mehrheit im Bundestag stimmt für eine „Öffnung“ der Ehe für „alle“; die Opposition siegte, lag sich mit Tränen in den Augen und Konfetti im Haar in den Armen – und verlor das einzige Thema, mit dem sie hoffen konnte, knapp drei Monate vor der Wahl Merkels Stuhl wenigstens ein bisschen ins Wanken zu bringen.

Die hartnäckige Weigerung der SPD unter Schulz, irgendeins der drängenden Themen anzugehen, in ihrem Wahlprogramm spezifisch zu werden oder – Franz Josef bewahre – der CDU die Stirn zu bieten und ein soziales Gesetz mit Unterstützung der Linkspartei umzusetzen, statt die Wähler auf mögliche Umsetzung nach der Wahl zu vertrösten, sind zweifellos entscheidend für den ungebrochenen Abstieg der ältesten Partei Deutschlands. Das kurze mediale Freudenfest der symbolischen Gleichstellung einer sexuellen Minderheit wird die Stimmung bestenfalls kurz heben, doch wenn der Rausch verflogen ist und die Menschen in die Realität zurückfinden, gibt es noch immer keine Erhöhung des Mindestlohns, das Arbeitslosengeld wird nicht verlängert sein und die Bürger werden durch krumme Deals wie die Autobahnmaut weiter geschröpft, während notwendige Regulierungen zur Beschränkung von Finanzspekulationen etc. nicht einmal erwähnt werden. Die Homo-Ehe steht für die deplatzierten Prioritäten der falschen Linken in allen westlichen Staaten, den Triumph der symbolischen Gesten über die Substanz.

Diese auf die mediale Wirkung abzielenden symbolischen Gesten, die die sich Inszenierenden nichts kosten, keine großen Veränderungen bringen und an bestehenden Problemen nichts ändern, haben sich jedoch immer wieder auch als äußerst praktikable Ablenkungsmanöver erwiesen. Am 7. November 2012 brach Francois Hollande öffentlich das Wahlversprechen, das das Rückgrat seiner Präsidentschaftskampagne gebildet hatte. Er reduzierte die Steuern für Reiche und Großkonzerne, beschnitt als Ausgleich empfindlich die Leistungen des Sozialstaats und erhöhte gleichzeitig die Mehrwertsteuer, was vor allem die normalen Bürger belastete. Doch Hollandes Kniefall vor dem Diktat des Neoliberalismus war nicht das Einzige, was an diesem Tag beschlossen wurde. Ebenfalls am 7. November 2012 legten Hollande, Premierminister Ayrault und die Sozialisten dem Parlament das Gesetz für die Homo-Ehe vor. Eine Politik der Ablenkung, der Öffentlichkeit ein emotional besetztes Thema zu präsentieren, während im blinden Winkel der medialen Ablenkung ein anderes, in seinen Auswirkungen tiefer greifendes Gesetz ohne viel Aufheben durchgewinkt wird. Am 30. Juni 2017 war dies das zukünftig die Meinungsäußerung empfindlich beschränkende Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Der Coup glückte, die Opposition folgte den falschen Prioritäten, und die Medien taten ihr Bestes, um das Thema nicht in die Diskussion zu bringen.

Werden die unmittelbaren Konsequenzen des NetzDGs im Falle, dass das Bundesverfassungsgericht es nicht kassiert, zunächst noch spürbar größer sein, so hat auch die „Öffnung“ der Ehe – die tatsächlich ein letzter Schritt zu ihrer Abschaffung ist – nicht weniger Konsequenzen. Der Grund, dass diese Konsequenzen weniger bemerkt werden, liegt darin, dass der Kampf zur Diskreditierung der Ehe ein bereits über vier Jahrzehnte währender Prozess ist, dessen tägliche Nadelstiche vielen Menschen überhaupt nicht mehr bewusst wird.

Bezeichnenderweise messen die Parteien, die sich so vehement für die „Öffnung der Ehe für alle“ einsetzten, dem Begriff der Ehe selbst in ihren jeweiligen Parteiprogrammen erstaunlich geringe Bedeutung bei. So war für die SPD die Ehe lange Zeit nur eine Form von Familie, und „Familie ist da, wo Kinder sind.“ Diese schlichte Auffassung wurde schließlich heimlich zugunsten einer am Verständnis der CDU orientierten Ansicht aufgegeben, wonach Ehe durch „beiderseitige Verantwortung“ definiert sei. Die FDP weiß zur Ehe nur zu sagen, dass sich der Staat aus ihr heraushalten solle, kämpft aber für die Vereinfachung der rechtlichen und medizinisch-technischen Möglichkeiten der Pluralisierung von Ehe-Formen. Die LINKE will die Ehe zugunsten zeitgemäßer Formen des Zusammenlebens abschaffen, und für die GRÜNEN ist sie schlicht eine zu überkommende Institution der Repression und Hierarchisierung der Geschlechterbeziehung – es sei denn, es ist eine Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern: dann ist sie ein Zeichen von Selbstbestimmung, Aufbegehren gegen monogame und heteronormative Zwänge und unbedingt durch den Staat, gegen den man rebelliert, zu schützen. Keine der Parteien, die im Bundestag für die „Öffnung“ der Ehe stimmten, hat eine Definition dessen, was die Ehe ausmacht; beinahe alle vertreten jedoch in ihrem Wahlprogramm eine Position, die mehr oder weniger explizit die Abschaffung der Ehe fordert. Keines der Tele- oder Printmedien indes hält dies auch nur für erwähnenswert.

Der Kampf gegen die Ehe begann mit der zweiten Welle des Feminismus, die sich nicht mehr auf die Forderung der ersten Welle nach Gleichberechtigung der Geschlechter gründete, sondern die Gesellschaft in der Gesamtheit ihrer Institutionen sowie den Körper einer kritischen Bestandsaufnahme unterzog. Der Unterschied als solcher wurde im Verlauf dieses Prozesses als Anlass für und Beleg der Diskriminierung gesehen, gesellschaftliche Institutionen und Diskurse als Ausdruck eines repressiven Patriachalismus. Die Überlegungen dieser Phase mündeten in einer dritten Welle des Feminismus in die radikale Umgestaltung aller Institutionen und die Auflösung der Idee der Identität auf individueller Ebene. Genderfluidität und ein Multiversum von Geschlechtsidentitäten sind eine direkte Folge.

Die Ehe galt den Ikonoklasten dabei als eine der bedeutsamsten Formen institutionalisierter Ungleichheit. Die Strategie ihrer Zerschlagung erfolgte dabei zweigleisig: durch Diskreditierung und Aufweichung ihrer Definition. In der feministischen Debatte tauchte die Ehe seit den 1960ern nur noch als Problem auf, negative Erscheinungsformen wurden als ihr grundsätzliches Wesen betrachtet. Wenn z.B. die Gesellschaft die Ehe unterstützt, indem sie sie fördert, den Ehebruch jedoch sanktioniert und damit erschwert, kann eine Ehe für einige Leute in bestimmten Situationen zum Gefängnis werden. In anderer Hinsicht jedoch gewährt der gesellschaftliche Schutz Stabilität, denn die Ehe war in erster Linie vor einem Eingreifen von außen geschützt. Die Aufweichung ihrer Definition erfolgte zuerst über die Lockerung des sie umgebenden Rechtsgefüges. Wenn man möchte, dass sich Menschen in einer bestimmten Weise verhalten, führt es selten zum Erfolg, das Gegenteil zu verbieten. Vielmehr nehmen geschickte Manipulatoren den Menschen die Notwendigkeit, sich in bestimmter Weise zu verhalten oder zu denken. Als Beispiel dafür mag die Mitte der 1970er Jahre durchgesetzte Entkoppelung der Schuldfrage bei Ehescheidungen von der Verpflichtung zum nachehelichen Ehegattenunterhalt dienen. Hatten zuvor die in der Gesellschaft vorherrschenden Vorstellungen von Ehe auch die Frage geklärt, wie das Scheitern einer Ehe zu bewerten und welche Ansprüche sich an den am Scheitern schuldigen Teil begründen ließen, galt von nun an das Zerrüttungsprinzip. Bezeichnenderweise blieb davon die Pflicht zur nachehelichen Fürsorge unberührt. Anders ausgedrückt: Was immer sich einer oder beide Partner vor dem Scheitern der Ehe zuschulden kommen ließen, nach der Scheidung zahlte fast immer der Mann. Man könnte auch sagen, dass diese Regelung ein die Ehe zerstörendes Verhalten – wenn schon nicht explizit begrüßt, so doch durch Erklärung seiner Konsequenzlosigkeit – ermutigt.

Nadelstiche wie diese finden sich zuhauf. Auch die der gegenwärtigen Entscheidung vorausgehende Debatte war durch diese beiden Schienen gekennzeichnet: Verächtlichmachung der Ehe, z.B. durch Betonung der Fallzahlen ihres Scheiterns, während gleichzeitig gefordert wurde, sie für Menschen anderer sexueller Orientierungen zu öffnen. Man könnte diesen Widerspruch in den sozialen Netzwerken etwa so auf den Punkt bringen: „Die Ehe ist nichts, womit man glücklich wird. Warum wollt ihr sie verteidigen? Schaut euch doch nur die hohen Scheidungszahlen an … Deshalb wollen wir sie also auch für uns.“

Die „Öffnung“ der Ehe propagiert die Beliebigkeit ihrer Zusammensetzung und die Leichtigkeit ihrer Schließung und Auflösung. Bedeutete die Eheschließung früher, zahlreiche Verpflichtungen einzugehen, was ein generell anderes Verständnis der Ehe und der eigenen Rolle darin nach sich zog, wird heute die Problemlosigkeit ihrer Schließung und Beendigung und das Fehlen irgendeiner innerehelichen Erwartungshaltung begrüßt. Die Individuen sollen frei sein, selbst auszuhandeln, was Ehe für sie bedeutet. Phantasievoll und durchsetzungsstark.

Während es selbstverständlich ist, dass Menschen die Art und Dauer, wie sie mit wem zusammenleben wollen, selbst entscheiden können müssen, ist die Entscheidung, dieses willkürliche Zusammenleben als Ehe zu bezeichnen, es hingegen nicht. Bezeichnenderweise argumentieren die Befürworter ihrer „Öffnung“ immer von einzelnen Aspekten aus. Die Ehe solle „ausgedehnt werden, weil niemand ein Recht hat, anderen vorzuschreiben, wen sie lieben sollen“. So als ging es darum, die Gefühle oder die Möglichkeit des Zusammenlebens zu beschränken. Es wird darauf hingewiesen, dass über Samenspenden oder Adoption auch homosexuelle Familien zu Kindern kommen könnten, was sich von der Situation mancher heterosexueller Ehen nicht unterscheide. Diesen Argumenten ist gemeinsam, dass sie den großen einzigartigen Zusammenhang, der sich aus erotischer Anziehung, emotionaler Verbindung, biologischen Fakten, geschlechtlicher Rolle und sozialer Verpflichtung bildet, negieren und einzelne beliebige Elemente herauslösen zu können meinen. Die Negierung dieser Besonderheit – auch in ihrer Potenzialität – orientiert sich an der Ideologie, nicht an den Fakten. Die Verfechter ihrer „Öffnung“ behaupten, dass man einzelne dieser Aspekte herausnehmen und durch beliebige andere ersetzen könne. Damit aber verliert die Ehe ihre grundsätzliche Funktion als holistische Keimzelle der Gesellschaft, in der sich diese biologisch, emotional und in ihren Werten reproduziert und wofür sie unter dem Schutz VOR dem Eingriff von außen, vor allem durch den Staat, geschützt war. Sie wird geöffnet für eine Vielfalt an Interventionsmöglichkeiten. Durch ihre Preisgabe erklärt der Staat, dass der traditionellen Ehe kein herausgestellter Wert zukommt und dass er es als seine Aufgabe sieht, die Ehe in immer neuen Konstellationen selbst zu fördern und zu pluralisieren.

In der Debatte war immer wieder die Behauptung zu vernehmen, die „Ehe für alle“ nehme den traditionellen Ehen nichts weg; diese würden durch die neue Definition nicht im Geringsten beeinflusst. Diese Aussage ist selbstverständlich falsch. Tatsächlich beeinflusst die veränderte Sichtweise auf die Ehe die Gesellschaft in zahllosen Punkten, von denen einige absehbar, andere sich erst im Laufe der Zeit zeigen werden.

Unseren Beherrschern liegen die Rechte Homosexueller und anderer sexueller Orientierungen offenbar sehr am Herzen. Homosexuelle haben eine wesentlich einflussreichere Lobby, als die leiblichen Väter, die allenthalben darum kämpfen müssen, in ihren Anliegen überhaupt nur angehört zu werden. Versuchen Sie nicht, das zu kritisieren! Sich auf diese Weise äußern zu wollen, zeigt Ihre reaktionäre Gesinnung. Vielleicht verlieren sie ihren Job – wie wollen sie dann den Unterhalt bezahlen?

Homosexualität selbst ist ein großes Thema, und die Frage nach dem Ursprung der Homosexualität ist ein Thema für sich. Was genau die Ursachen für Homosexualität sind, ist bis heute nicht geklärt. Die beiden Schienen von Erklärungsansätzen sahen ihre Ursachen zu unterschiedlichen Teilen in naturwissenschaftlichen (z.B. hormonellen oder genetischen Besonderheiten) oder in sozialen Faktoren (z.B. Einfluss der Familie oder persönliche einschneidende Erlebnisse). Während es schwer ist, biologische Faktoren auszuschließen, lassen sich auch soziale Faktoren, die z.B. durch historische Häufungen deutlich werden, nicht leugnen. Homosexualität war im antiken Athen eine allgegenwärtige Erscheinung. Die Gentry der späten Han- und, nach einer Zurückdrängung durch den Neokonfuzianismus, erneut in der späten Ming-Zeit in China hielten sich in solchem Umfang private Lustknaben, dass ihre Kritiker sie als in Gänze als homosexuell betrachteten. Solche Häufungen sind nicht durch einen plötzlichen genetischen Peak zu erklären. Der Mensch – und damit seine Sexualität – sind, wenn nicht absolut, so doch zumindest in bestimmtem Maße formbar. Es ist wissenschaftlich nicht vernünftig, Homosexualität, Bisexualität, Neigungen zum Sadismus, Masochismus, wesentlich älteren Partnern und die zahllosen anderen Präferenzen, von denen manche erst mit den technischen Möglichkeiten der Moderne möglich wurden, als generell und ausschließlich biologisch determiniert anzunehmen. Von der prinzipiell negativeren Einstellung zu Heterosexualität und Familie unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit starker feministischer Prägung mag sich jeder Leser in einem sozialen Netzwerk seiner Wahl selbst ein Bild machen.

1973 entschied die in der American Psychiatric Association einflussreiche Homosexuellenlobby, Homosexualität von der Liste der Störungen zu streichen. Als therapiebedürftig wurde von nun an das Leiden an der Homosexualität betrachtet. Forschungen zu den Ursachen und eventuellen Behandlungsmethoden von Homosexualität bedeuten seitdem das sichere Ende der eigenen Karriere. In der politischen Debatte wird Homosexualität behandelt, als sei sie zu 100% angeboren und unveränderlich, wobei es bemerkenswert ist, dass diese Ansicht von denselben Leuten vertreten wird, die den beauvoirschen Satz, „man werde nicht als Frau geboren, sondern dazu gemacht“, als ein nicht zu hinterfragendes Credo übernommen haben.

Dass die Verfechter dieser Ansicht sie selbst auch so absolut glauben, darf man begründet in Zweifel ziehen. In den letzten Jahren gab es immer wieder Vorstöße, eine Sexualerziehung, die Heterosexualität als Sonderfall betrachtet, zu immer früheren Zeitpunkten an Kinder heranzutragen. Das Alter der Kinder, die in den Genuss dieser besonderen Bildung kamen, wurde dabei jünger und jünger, erreichte die Grundschule und in manchen Fällen den Kindergarten. Vorgeblich dienen diese Kurse der Förderung der Toleranz, bevor das miese Patriarchat seine heteronormative Matrix in die unschuldigen Kinderseelen pflanzen kann. Dass man damit das Grundrecht der Eltern, ihre Kinder über diese Dinge aufzuklären, wie auch das Recht der Kinder, davon verschont zu bleiben, bis sie von sich aus ein Interesse dafür entwickeln, missachtet, hat die Apologeten der neuen, besseren Welt nie abgeschreckt. Im Gegenteil wähnt man sich im Recht, denn welchen anderen Grund könnten Eltern haben, mit ihren Kleinkindern nicht über alle möglichen Sexpraktiken zu reden, als dass sie sie in ihrer Entwicklung behindern wollten? Der Grund für diese erzwungene Frühsexualisierung scheint eher zu sein, Kinder frühestmöglich beeinflussen zu können. Mit der Erklärung des Staates, die andere Formen der Ehe gleichzustellen, wird diese Art der „Aufklärung“ zunehmend vorangetrieben werden und den Eltern, bei denen nicht sicher ist, ob sie die gewünschten toleranten Einstellungen vermitteln, weiter aus der Hand genommen werden.

Die „Öffnung“ der Ehe wird politische Veränderungen nach sich ziehen. Bei der Abschaffung der Ehe, von der man z.B. auf der Seite der Grünen Jugend lesen kann, handelt es sich dabei wohl eher um ein längerfristiges Ziel. Kurzfristig angedacht sind andere Veränderungen. Ein erster Schritt ist die Abschaffung des Ehegattensplittings. Ein Schelm, wer denkt, dem Staat gehe es dabei um die Milliarden Mehreinnahmen – es geht um Gerechtigkeit! Für die LINKE basiert das Ehegattensplitting auf einem antiquierten Verdienstmodell in der Ehe; man solle es streichen und stattdessen Kinder fördern. Ist diese Umstellung für Besserverdienende vielleicht leichter zu verkraften, sollte gerade eine Partei wie die LINKE sich sehr genau überlegen, was es für Leute bedeutet, die am Ende des Monats die Cents zweimal umdrehen müssen. Die Entscheidung, Kinder in die Welt zu setzen, beinhaltet für viele Paare zweifelsohne auch die Frage, ob sie sich das leisten können. Aber wer will schon, dass sich das Prekariat fortpflanzt? Zweifelsohne muss mehr für Kinder getan werden – der Armutsbericht bestätigt das immer wieder. Doch tut man Kindern damit einen Gefallen, dass man die schützenswerte Herausstellung der Ehe nivelliert?

Die „Öffnung“ der Ehe wird ideologische Veränderungen nach sich ziehen. Wenn Mutter und Vater als für das Kindswohl obsolet erklärt und durch eine beliebige Bezugsperson ersetzt werden können, wird es notwendig sein, die Gesellschaft anzupassen. Einige Männerrechtler äußern die Hoffnung, die veränderte Situation könne zu einer Neubewertung der Situation von Vätern führen. Doch ist auch das Gegenteil denkbar: Wenn Vater und Mutter als nicht mehr zwingende Bestandteile der Ehe gelten, könnte es schwieriger werden, den Anspruch eines Kindes auf einen Vater durchzusetzen. Bestimmte Formulare ersetzen bereits das herkömmliche „Vater“ und „Mutter“ durch das nicht diskriminierende „Elter 1“ und „Elter 2“. In Kanada muss sich ein Professor gerade einem nationalen Shitstorm, der Androhung von 200,000 CaDollar  Gerichtskosten und dem Ende seiner Karriere stellen, weil er sich weigert, Dutzende von Personalpronomen für die ständig wechselnden Geschlechter seiner Studenten zu lernen und anzuwenden. Ein Geschmack dessen, was uns erwartet. Wenn Sprache nicht mehr die Fakten bezeichnet, wird auch das Streiten über Ideen unmöglich. Die Political Correctness macht die Freie Rede zu einem verminten Terrain, auf dem ein falsches Wort das Karriereende und das soziale Aus bedeuten kann. Da die kulturellen Sensibilitäten beständig neu angeordnet werden und der Bereich des Erlaubten immer wieder neu abgesteckt wird, werden Denken und Sprechen zu einem Feld, in dem man sich nur unter Risiko und bleibender Unsicherheit bewegen kann.

Jede Gesellschaft muss einen ausbalancierten Kurs zwischen Konservativismus und Progressivismus finden. Eine Gesellschaft, die ihre eigenen Grundlagen abschafft, gefährdet ihr Weiterbestehen. Es ist vielleicht besonders tragisch, dass die Linke intellektuell nicht mehr in der Lage ist, zu sehen, wo sie sich zum Handlanger einer selbst zutiefst antisozialen Ideologie macht, die die Lösung des Individuums aus allen verbindlichen Beziehungen anstrebt. Diese Frage dreht sich nicht allein um Klassenzugehörigkeit oder Nationalität. Ihr Innerstes sind Ehe und Familie. Der Zulauf der Rechtskonservativen wird allen Orts beklagt und mit teils sehr unsauberen Mitteln bekämpft. Doch handelt es sich nicht um eine unerklärliche Radikalisierung unvernünftiger Bürger. Die Menschen flüchten vor einer Linken, die ihnen intellektuell nichts mehr anzubieten hat und ihre Berechtigung nur noch im Zerstören von Strukturen und Verboten von Meinungen findet.

Inwiefern macht der Ersatz, den Politiker aller Parteien anstreben, die Lage besser? Man will uns die „Ehe für alle“ als Sieg, als große Errungenschaft auf dem Weg zu einer liberaleren und freieren Gesellschaft verkaufen. Wir würden uns gerne dem Jubel anschließen. Wenn wir jedoch offene Augen für andere Fragen haben, sehen wir eine Welt, die mehr und mehr auf den Abgrund zusteuert, und eine Politik, die sich weigert, die drängenden Fragen anzugehen. Wir sehen, wie sich die sozialen Probleme von Tag zu Tag verschärfen; wie Interessen der Wirtschaft und des Finanzsektors über Umwelt und das Interesse des Individuums gestellt werden; wie die Politik sich weigert, für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen; wie die Löhne gekürzt, die Arbeitslosen zu Bittstellern und Krankenversicherungs- und Rentensicherheit nicht mehr gewährleistet werden; wir sehen, wie Gemeingut an private Unternehmen verscherbelt wird; wie sehen korrupte Politiker sich aus ihrer Verantwortung für das Allgemeinwohl stehlen; wir wollen jemanden anschreien, wenn Politik auf die Meinung des Volkes scheißt und einzig im Interesse von Konzernen und Banken arbeitet; wir erleben, wie Medien und Politiker die Zulässigkeit abweichender Meinungen mehr und mehr beschränken, während wir die tagtägliche Propaganda auch noch bezahlen müssen; wie sich die Politiker mit Lügen in ein Wettrüsten hineinsteigern und andere Länder ohne Sinn für Konsequenzen verleumdet, sanktioniert und bedroht werden; wir sehen, dass Missstände nicht angegangen werden, während Kritik an Missständen zur Straftat erklärt wird; wie eine Gesellschaft, die durch Identity Politics gespalten und Gruppen gegeneinander ausgespielt werden, doch eins ist sicher – der ultimative Feind bleibt der heterosexuelle weiße Mann …

Aber es gibt einen Lichtblick: Deutschland hat jetzt die „Ehe für alle“. Ist doch nicht alles trübe.

Alles wird gut.

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